Gerade arbeite ich an zwei völlig unterschiedlichen Schreibprozessen, und manchmal fühle ich mich dabei wie jemand, der gleichzeitig ein Uhrwerk repariert und ein Lagerfeuer entfacht.

Auf der einen Seite sitze ich am Miniaturenband:
Texte kuratieren, feilen, erweitern, verkürzen, rhythmisieren.
Jeder Satz wird gewogen, jede Nuance überlegt.
Es ist Arbeit mit Pinzette und Lupe – präzise, konzentriert, fast meditativ.
Ein Text wird dichter und klarer.

Auf der anderen Seite entsteht der erste Entwurf für den zweiten Band meiner Schattenlicht-Reihe.
Und dieser Prozess ist das genaue Gegenteil:
Hier darf alles roh sein.
Unfertig.
Schief.
Zu laut.
Zu leise.
Zu viel.
Es ist die Phase, in der ich Becca einfach laufen lasse und versuche, ihr hinterherzukommen, ohne sie mit Regeln oder Ordnung aufzuhalten.

Es ist faszinierend, wie sehr sich diese beiden Welten widersprechen – und wie sehr sie sich gleichzeitig gegenseitig brauchen.

Die Miniaturen zwingen mich zur Genauigkeit.
Der Roman gibt mir Freiheit.
Die Miniaturen schärfen meinen Blick.
Der Roman hält ihn weit.

Und irgendwo dazwischen entsteht ein Rhythmus, der mich trägt:
Morgens vielleicht eine Miniatur überarbeiten, in der jedes Wort zählt.
Nachmittags dann eine Szene schreiben, die noch gar nicht weiß, was sie sein will.

Ich glaube, Schreiben ist selten nur eines: weder reine Inspiration noch reine Technik.
Vielleicht ist es genau dieser Wechsel, der meine Projekte lebendig hält – und mich gleich mit.