Da waren die beiden wieder. Diese großen komisch andersaussehenden Lebewesen. Sie betraten den Dachgarten und gingen zielstrebig auf den Taubenschlag zu.
Die Türe geöffnet, holten sie Trude die Teufelstaube heraus.
Sie war ein so prächtiges Tier.
Sie war größer als alle anderen Tauben und hatte schon bei so vielen Veranstaltungen Preise wie keine andere Abgeräumt.
 
Noch immer zuckte sie zusammen, wenn sie die beiden auf sich zukommen sah.
Bedeutete es doch so lange, dass sie aus ihrem zuhause gerissen werden würde und unter Lebenseinsatz den Weg nach Hause finden musste.
Doch das musste sie nun nicht mehr und das seit dem letzten Wettkampf.
 
Teufelstaube, diesen Namen hatte sie sich redlich verdient.
War sie doch die Einzige, die den letzten Flug von Neapel nach Malta mit einem 547,69km langen Flug als überlebende abschließen konnte.
Auf diesem Flug war so viel passiert.
 
Leopold, der sie täglich abends besuchen kam, erzählte sie die ganze verzweifelte Geschichte, in der sie nur mit sehr viel Glück lebend aber ohne Ring wieder nach Hause kam.
 
Da ging es um eine Wasserhose, die sie durch die Luft wirbelte und von ihrem Weg abbrachte. Es kostete sie so viel Kraft in der Mitte dieser Wasserhose nicht nach unten ins Wasser gezogen zu werden. Doch mit letzter Kraft konnte sie sich dann auf der Insel Stromboli niederlassen, vor der sich die Wasserhose auflöste.
 
Auch musste sie durch ein Unwetter mit Hagelkörnern, die auf sie herabprasselten und sie zum Glück nur leicht am rechten Flügel verletzte und sie deswegen eine Zwischenlandung in Kauf nehmen musste.
 
Und dann waren da noch diese komisch aussehenden Lebewesen in Palagonia, die mit Reifen, an denen etwas befestigt war, wie wild unter ihr immer wieder in die Luft sprangen und versuchten, dass Teil über sie zu werfen.
Es war so befremdlich, sah sie das Teil doch schon, bevor es nur in ihre Nähe kam.
 
Der schlimmste und aufregendste Teil der Geschichte war dann aber der Angriff eines Tieres mit 4 Beinen und Fell, als sie sich zum Fressen auf der Nebeninsel von Malta, auf Victoria niedergelassen hatte und sie bei ihrer Flucht durch ein Loch in einer Wand neben sich mit ihrem Ring hängen blieb.
 
Durchs Fressen kurz abgelenkt, sah sie das Tier zu spät auf sich zurasen.
Als sie es bemerkte, reagierte sie blitzschnell und lief durch das Loch in der Wand neben ihr.
Zu ihrem Glück, passte sie genau durch.
Zu ihrem Pech, blieb sie mit ihrem Wettkampfring an einem Nagel hängen.
Sie sah das Tier hinter sich und noch bevor sie reagieren konnte, spürte sie die stechenden Schmerzen in ihrem Bein, als die Zähne des Tieres sich hineinbohrten.
Just in diesem Augenblick rutschte das Bein dann durch den Ring.
 
Sie hatte es geschafft. Sie konnte sich in Sicherheit bringen.
Nur hatte sie dabei den Fuß verloren.
Diesen sah sie noch aus dem Maul des am anderen Ende des Loches stehenden Tieres hängen.
 
Dieses ließ ihn gerade fallen und wollte mit dem Kopf durch das Loch und stieß aus Frust es nicht zu schaffen, einen Laut aus, der mit einem langgezogenem und wütenden „Miiiiii“ begann und mit einem „iiiiiouuuuu“ endete.
 
Schwer verwundet und mit letzter Kraft flog sie noch das letzte kurze Stück nach Hause zu ihrem Taubenschlag.
 
Die beiden großen Lebewesen kümmerten sich danach rührend um sie und versorgten sie mit allem wichtigen und so erholte sie sich bald von den Strapazen.
 
Leopold saß wie immer angewurzelt da und lauschte Trude gespannt, ja regungslos, wenn sie erzählte.
Er flog förmlich jedes einzelne mal mit Trude durch die Lüfte. Spürte den Wind, der ihm um die Nase wehte, den Regen auf sich einprasseln, so als wäre er dabei.
Nach diesen Erzählungen dachte er sich jedes Mal: „Wenn ich groß bin, ja, wenn ich richtig groß bin, werde ich auch um die Welt fliegen und viele Geschichten weitererzählen.
 
Mutter Maus mochte diese Zusammentreffen der beiden nicht, auch wenn sie Leopolds Fantasie sehr anregten, was ja an sich gut war.
Dumm war jedoch nur, dass sie noch nicht wusste, wie sie ihrem jüngsten Sprössling beibringen sollte, dass das wohl niemals passieren wird.