Es war ein heißer Sommertag. Schwärme aus kleinen Mücken tanzten durch die Sonnenstrahlen, die durch die dichten Kronen der Bäume am Ufer des brackigen Flusses drangen. Modriger Geruch drang aus den Wasserpflanzen, die das schlammige Ufer überwucherten. Das Quaken der Frösche mischte sich zum Zirpen der Insekten.
Plötzliche Stille.
Ein Knall. Laute Stimmen durchdrangen die Stille. Eine Gestalt durchbrach die grüne Wand auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses und sprang in das Wasser.
Knall auf Knall trieb einen Schwarm aus bunten Vögeln aus dem Dickicht empor.
Explosionen aus Blättern ließ grünes Konfetti in den Fluss rieseln.
Die Gestalt watete durch den dicken Schlamm am Ufer. Kleine Fontänen aus braunem Wasser spritzen auf um ihn herum auf, wie negativer Regen, der zurück zu seinem Ursprung flüchten wollte. Die Gestalt verschwand im undurchsichtigen Wasser des Flusses. Weitere Gestalten durchbrachen die grüne Wand, Macheten zerfetzten die unberührte Natur und rissen zerfranste Löcher in den Dschungel. Drei Männer in dreckigen braunen Uniformen gestikulierten wild, hoben ihre Waffen und verschossen ihr Blei in das gleichgültige Braun des Flusses. Ein Mann rief etwas und es wurde wieder still.
Eine bleierne Stille durchdrang das verhallende Echo der Schüsse. Die Männer blickten nach links und rechts. Da regte sich etwas im Fluss. Weitere Schüsse. Eine Figur durchdrang die Oberfläche, reglos und trieb am Rücken dahin.
Ein Kaiman hatte zur falschen Zeit Luft geholt und trieb jetzt leblos als Teil des Flusses seiner Bestimmung entgegen.
Eine weitere Gestalt durchbrach die Oberfläche des Flusses, holte röchelnd Luft und verschwand wieder. Die Männer drückten an ihren Gewehren herum und holten fluchend Magazine aus ihren Hosentaschen. Weitere Fontänen aus Wasser stiegen aus dem Fluss empor, doch das Wasser blieb unbeeindruckt still.
Unbeobachtet von den Männern tauchte auf dieser Seite des Ufers, geschützt von herunterhängenden Wasserpflanzen, eine Gestalt langsam aus dem schlammigen Fluss auf. Sie hielt sich beide Hände vor den Mund, um jegliche Geräusche zu unterdrücken, die durch das verzweifelte, panische Atemholen verursacht wurden.
Wie mit einem Paukenschlag startete wieder das Konzert der Tiere. Ohrenbetäubend nach der drückenden Stille übertönte der Dschungel jegliches menschengemachtes Geräusch.
Die Männer am gegenüberliegenden Ufer beobachteten noch eine Zeitlang den undurchsichtigen Fluss und das gegenüberliegende Ufer.
Dann gab ein Mann ein Zeichen und die Männer verschwanden, frustriert auf die Natur einhackend, zurück durch die grüne Wand des Dschungels.
Ein schluchzendes Luftholen durchdrang den Vorhang aus Wasserpflanzen. Die Gestalt zog sich an ihnen auf das Ufer des Flusses hinauf und verschwand wankend im schützenden Schoß des diesseitigen Dickichts.
Kategorie: Drama


„Guruu, Gehirn, Guruu!“, krächzte Trude, die Zombietaube.
Sie saß am Sims einer Mansardenwohnung gegenüber dem Stephansdom.
Konzentriert schärfte sie ihren Schnabel an den bereits glattpolierten Stäben des Dornengitters.
Der schwarze Schimmel auf ihrem vormals blau-grauen Gefieder verschluckte Großteils das Licht, das vom Fernseher der Wohnung hinter ihr über sie hinwegflackerte.
Ein milchiges Auge fixierte Menschen, die im abendlichen Halbdunkel weit unter ihr – scheinbar fröhlich – über den Stephansplatz torkelten.
Das andere Auge, das bereits ein wenig aus seinem Sockel heraushing, versuchte die Schärfe des Schnabels einzuschätzen.
„Guruu, Gehirn, Guruu, Gehirrrrrn!“, krächzte Trude hungrig.
Sie beschloss, dass ihr Schnabel jetzt scharf genug war, um durch den Augapfel, die Netzhaut und den Sehnerv in das ersehnte menschliche Gehirn zu gelangen.
Ihre Augen begannen Chamäleon gleich über die Passanten zu zucken, auf der gierigen Suche nach dem leichtesten Opfer.
Trude war so konzentriert auf die Beute unter ihr, dass sie den leisen Luftzug nicht wahrnahm, der über sie hinwegstrich.
„Guruu, Gehiiii…..“, war ihr letzter Gedanke, bevor ihr eigenes Gehirn aufgespießt wurde.
„Fiep, Taubengehirn, Fiep!“, piepste Nils, der Zombiehamster, als er genüsslich das Gehirn der Zombietaube durch seine Nosferatu-Zähne aufsaugte.

Hänschen stellte sich vor in das Sternenfirnament zu starren.
Mondlicht schimmerte durch Löcher im strohgedeckten Dach des Waisenhauses.
„Wenigstens regnet es heute nicht!“, dachte Hänschen und versuchte eine halbwegs bequeme Position auf der sticheligen Strohmatratze zu finden.
Er lauschte hinein in den Schlafsaal.
Hänschen hatte gelernt auf das Atmen der anderen Waisen zu achten. Ein Kratzen an der morschen Holzwand hinter ihm unterbrach seine Konzentration.
Hänschen erstarrte und hielt den Atem an. In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges lauern viele schlimme Dinge hinter jeder Ecke und in jedem Verschlag. Ein leises Fiepen ließ ihn wieder etwas entspannen.
Ein Bild seiner Familie, wie Vater, Mutter und Schwestern um den Esstisch herum saßen und beteten, blitzte in seinem Kopf auf.
„Nein, bitte nicht!“, dachte Hänschen und versuchte verzweifelt die Tränen zu unterdrücken. Obwohl er nicht verstand, wie dieser See aus Tränen immer noch nicht leer sein konnte.
Tränen liefen seine Schläfen herab und versickerten im groben Stroh der gedroschenen Hirsestengel.
Kein Laut verließ seine von der Kälte rissig gewordenen Lippen. Ängstlich lauschte Hänschen in den Raum hinein.
Ein Wimmern, dann ein Röcheln, dann unsägliche Stille. Das leise Kratzen hinter ihm entfernte sich.
Nur der endlose Strom aus Tränen blieb zurück.